SSIPe.V.
“Differenz wahrnehmen .... Identität ernstnehmen  .... Perspektiven einnehmen   .... Wandel aufnehmen"
© Copyright by SSIP e.V.
Sozialwissenschaftlicher Studienkreis für interkulturelle Perspektiven

Kultur im Container ?

Für den SSIP ist – wie es inzwischen viele andere auch sehen – „Kultur“ ein Konzept des Alltags. Der SSIP hat sich befreit von der Vorstellung, „Kultur“ sei ein auf lange Dauer festgefügtes Ausstattungselement von Gesellschaften. „Kultur“ ist keine Substanz, sondern vielmehr ein Konzept der Differenz. Mit „Kultur“ sprechen wir meistens über Differenz. Die Redeweise, dass Menschen eine Kultur „haben“, ist schon dazu angetan, in die Irre zu führen. Richtiger wäre es zu sagen, dass Praktiken, Objekte, Ideologien immer auch eine kulturelle Dimension besitzen. Sich eine Kultur als Rucksack, den jeder mit sich herumträgt, oder als Kugel, in die man mit seiner Sprache und seinem Denken eingeschlossen ist, vorzustellen, war immer eine irreführende Vereinfachung — manchmal ist sie harmlos, manchmal spielerisch-witzig, immer steckt jedoch essentialistisches Denken darin. Die Vorstellung von Kultur als „container” kann als politisches Kampfmittel und dazu missbraucht werden, missliebige Menschen oder Gruppen als Feinde zu etikettieren. Hier tritt der SSIP entschieden für einen nicht-essentialistischen Begriff von Kultur ein. Kultur ist eine unaufhörliche Praxis, die um Gleichartigkeit und Unterscheidung kreist. Differenz trägt nicht unwesentlich zu den Identitätskonstruktionen, um die soziale Gruppen sich bemühen, bei. Dieses theoretische Modell füllt der SSIP mit Inhalten. In dieser Richtung will der SSIP die Diskussion unter Fachleuten, mit praktisch ausführenden Entscheidern und in der Öffentlichkeit stärken.

Falsche Essentialisierungen

In dem Kulturbegriff, den der SSIP vertritt, ist kein Platz für vermeintliche Vorprogrammierungen ethnischer, psychologischer oder biologischer Art, kein Platz für „Leitkulturen” oder normativ verfestigte „Kulturstandards”. Mit einem nicht-essentialistischen Verständnis von Kultur korrespondiert die Prämisse, dass kollektive Identität das Ergebnis zeit- und situationsabhängiger Konstruktionsprozesse ist. Von der „russischen Seele“ zu schwärmen, in „Kulturkreisen“ zu denken, „westliche Werte“ zu beschwören, vor „asiatischen Werten“ zu warnen — dies alles sind Essentialisierungen, die zuweilen in der Unterhaltung amüsant sein können. Meistens heben sie indes Gräben aus, wo keine sind, und ziehen Unterscheidungen ein, derer sich der nächstbeste Nationalist und Fremdenfeind dankbar bedient. „Der Chinese vermeidet um jeden Preis Gesichtsverlust.“

Der Chinese — der deutsche Geschäftsmann nicht?.

„Briten schätzen Distanz. Man sollte von exzessivem Händeschütteln, Besserwisserei und Drängelei am Buffet absehen.“

Wird exzessives Händeschütteln, Besserwisserei und Drängelei am Buffet in anderen

Gesellschaften goutiert?

Am 2.11.2016 verstieg sich Bundesentwicklungsminister Gerd Müller (CSU) beim Deutschlandkongress der Unionsparteien zu der Feststellung, wenn ein afrikanischer Mann 100$ verdiene, bringe er davon nur 30$ nach Hause. Den Rest investiere er in „Alkohol, Suff, Drogen, Frauen“.

Das ist nicht mehr amüsant: das Bild vom Afrikaner als animalischem und ungezügeltem

Wesen.

Ein Lob auf die Vielfalt Eng verbunden mit einem essentialistischen Denken ist die Vorstellung, Kultur müsse homogen sein, „rein” und unvermischt. Populismus beginnt immer damit, ein homogenes Volk zu konstruieren, die Vorstellung von einer Gruppe zu propagieren, „der einheitliche Sehnsüchte und einheitliche politische Hoffnungen unterstellt werden“ (Dirk Pilz 2016 über „die modernen Trumps”) Die „unreine” Identität, das Hybride, der Synkretismus — das muss gefährlich und verachtenswert erscheinen einem Denken, das noch durch das Ideal des „völkisch” reinen Nationalstaats im Europa des 19. Jahrhunderts verdorben ist. Zuletzt kulminierte das Homogenitätsdenken in der Chimäre von der Blutsgleichheit aller „Volksgenossen“ und konnte im großen Stil dann die Reinigung des Volkskörpers von allem als „wesensfremd“ Festgestellten in Angriff nehmen. Wo immer die Reinheit der Lehre gepredigt wird, ist es Zeit, die Beine in die Hand zu nehmen. Noch die unsägliche Rede von dem „Migrationshintergrund“ heutzutage verrät die jahrhundertelange Gewöhnung ans Reinheitsdenken. Diesem ist normal nur das Genuine, das Unvermischte, dem unverhüllt seine Herkunft anzusehen ist. Das Abweichende lauert im Hintergrund.  (Armin Triebel, Einleitung — Kultur nicht im Container, in: Armin Triebel (Hrsg.), Roswith Gerloff – Auf Grenzen. Ein Leben im Dazwischen von Kulturen. On the Border. An In-Between Existence, Berlin: Weißensee 2016, S.22)
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Kultur im Container ?

Für den SSIP – wie für viele andere auch – ist „Kultur“ ein Konzept des Alltags. Darüberhinaus glaubt der SSIP nicht an „Kultur“ als ein auf lange Dauer festgefügtes Ausstattungselement von Gesellschaften. Kultur ist mehr ein Konzept der Differenz als der Substanz. Mit „Kultur“ sprechen wir meistens über Differenz. Die Rede-weise, dass Menschen eine Kultur „haben“, ist schon dazu angetan, in die Irre zu führen. Richtiger wäre es zu sagen, dass Praktiken, Objekte, Ideologien immer auch eine kulturelle Dimension haben. Sich eine Kultur als container, als Rucksack, den jeder mit sich herumträgt, oder als Kugel, in die man mit seiner Sprache und seinem Denken einge-schlossen ist, vorzustellen, war immer eine irreführende Vereinfachung —manchmal ist sie harmlos, manchmal spielerisch-witzig. Diese Vorstellung kann aber auch politisch und missbraucht werden, um bestimmte Menschen oder Gruppen als Feinde zu etikettieren. Hier tritt der SSIP entschieden für einen nicht- essentialistischen Begriff von Kultur ein.Kultur ist eine unaufhörliche Praxis, die um Gleichartigkeit und Unterscheidung kreist. Differenz trägt nicht unwesentlich zu den Identitätskonstruktionen, um die soziale Gruppen sich bemühen, bei. Dieses theoretische Modell füllt der SSIP mit Inhalten. In dieser Richtung will der SSIP die Diskussion unter Fachleuten, mit praktisch ausführenden Entscheidern und in der Öffentlichkeit stärken.

Falsche

Essentialisierungen

In dem Kulturbegriff, den der SSIP vertritt, ist kein Platz für vermeintliche Vorprogrammierungen ethnischer, psychologischer oder biologischer Art, kein Platz für Leitkulturen oder normativ verfestigte Kulturstandards. Mit einem nicht-essentialistischen Verständnis von Kultur korrespondiert die Prämisse, dass kollektive Identität das Ergebnis zeit- und situationsabhängiger Konstruktionsprozesse ist. Von der „russischen Seele“ zu schwärmen, in „Kulturkreisen“ zu denken, „westliche Werte“ zu beschwören, vor „den asiatischen Werten“ zu warnen — dies alles sind Essentialisierungen, die zuweilen in der Unterhaltung amüsant sein können; meistens heben sie indes Gräben aus, wo keine sind, und ziehen Unterscheidungen ein, derer sich der nächstbeste Nationalist und Fremdenfeind dankbar bedient. „Der Chinese vermeidet um jeden Preis Gesichtsverlust.“

Der Chinese — der deutsche Geschäftsmann

nicht?.

„Briten schätzen Distanz. Man sollte von exzessivem Händeschütteln, Besserwisserei und Drängelei am Buffet absehen.“

Wird exzessives Händeschütteln, Besserwisserei

und Drängelei am Buffet in anderen Kulturen

goutiert?

Am 2.11.2016 verstieg sich Bundesentwicklungsminister Gerd Müller (CSU) beim Deutschlandkongress der Unionsparteien zu der Feststellung, wenn ein afrikanischer Mann 100$ verdiene, bringe er davon nur 30$ nach Hause. Den Rest investiere er in „Alkohol, Suff, Drogen, Frauen“.

Das ist nicht mehr amüsant: das Bild vom farbigen

Mensch als animalischem und ungezügeltem

Wesen.

Ein Lob auf die

Vielfalt

Eng verbunden mit einem essentialistischem Denken ist die Vorstellung, Kultur müsse homogen, „rein”, sein. Populismus beginnt immer damit, ein homogenes Volk zu konstruieren, die Vorstellung einer Gruppe zu propagieren, „der einheitliche Sehnsüchte und einheitliche politische Hoffnungen unterstellt werden“ (Dirk Pilz 2016 über die modernen Trumps) Die „unreine” Identität, das Hybride, der Synkretismus — das muss gefährlich und verachtenswert erscheinen einem Denken, das noch durch das Ideal des „völkisch” reinen Nationalstaats in Europa des 19. Jahrhunderts verdorben ist. Zuletzt kulminierte das Homogenitätsdenken in der Chimäre von der Blutsgleichheit aller „Volksgenossen“ und konnte im großen Stil dann die Reinigung des Volkskörpers von allem als „wesensfremd“ Festgestellten in Angriff nehmen. Wo immer die Reinheit der Lehre gepredigt wird, ist es Zeit, misstrauisch zu werden. Noch die unsägliche Rede von dem „Migrationshintergrund“ heutzutage verrät die jahrhundertelange Gewöhnung ans Reinheitsdenken. Diesem ist normal nur das Genuine, das Unvermischte, dem unverhüllt seine Herkunft anzusehen ist. Das Abweichende lauert im Hintergrund. (Armin Triebel, Einleitung — Kultur nicht im Container, in: Armin Triebel (Hrsg.), Roswith Gerloff. Auf Grenzen. Ein Leben im Dazwischen von Kulturen. On the Border. An In-Between Existence, Berlin: Weißensee 2016, S.22)
“Differenz wahrnehmen .... Identität ernstnehmen .... Perspektiven einnehmen .... Wandel aufnehmen"